Besucht im Februar 2024
Abendessen
Bewertung: noch unbewertet
Das Restaurant AN in Zürich hatte im Oktober 2023 eröffnet, vorerst im Erdgeschoss in der Uraniastrasse gegenüber dem Kaufhaus Jelmoli. Das Konzept ist interessant, werden doch Dumplings und kleine Gerichte der chinesisch-europäischen Fusion-Küche angeboten. Für dieses Angebot konnte man den in der Schweiz in Gourmet-Kreisen sehr bekannten Koch Marcus G. Lindner gewinnen. Im Erdgeschoss befindet sich auch eine schöne Bar, so dass man Abends auch Mal vorbeischauen könnte, um z.B. Cocktails und Snacks zu geniessen. Von Anfang an war geplant, im ersten Stock Fine Dining anzubieten. Seit Februar ist auch dieser Bereich geöffnet und als verantwortlichen Koch konnte man keinen geringeren als Oscar de Matos gewinnen. Frei nach dem Motto “Follow the cook” hatte ich nun hier einen Tisch reserviert. Oscar kenne ich schon von meinen drei Besuchen im Auerhahn Pop Up. Seine Einflüsse auf die Küche dort hatten mich sehr beeindruckt, schafft er doch durch Zutaten, die mit Fermentierungstechniken veredelt werden, vielen Gerichten Tiefe und ordentlich “Wumms” zu verpassen. Nun gibt es hier also Oscar “pur”. Mit ihm ins AN wechselte seine Lebenspartnerin Nadine, die hier den Service leitet.
Im AN Fine Dining wird ein 5-Gang-Menü inklusive Brot, zwei Snacks und zwei Friandises angeboten. Zwei Upgrades, Auster und Kaviar kann man ebenfalls bestellen, wie auch Käse. Zum Menü gibt es eine Weinbegleitung und eine Wein- und Cocktailbegleitung. Ich entschied mich für die Cocktails aus dieser Begleitung und ein Glas Weisswein zu den ersten Gängen.


AMUSE BOUCHE
tartelette | stracciatella di bufala | mango | sanddorn kosho
pan chino | sbrinz käse crème | trüffel
Es wurde empfohlen, mit dem Tartelette zu beginnen. Neben den in der Bildunterschrift erwähnten Zutaten wurde noch ein Tomatengelee, (Japanischer) Sansho Pfeffer und Ingwerblüte verarbeitet. Dies war mit seiner Frische, etwas Säure und der leichten Pfeffrigkeit ein idealer Einstieg ins Menü.
Das Pan Chino kannte ich in ähnlicher Form schon aus dem Auerhahn. Hier wurde 5-Jahre gereifter Sbrinz Käse verarbeitet und die Gebäckkugel mit gehobeltem Perigord-Trüffel veredelt. Perfekt gearbeitet, sehr, sehr gut und Umami pur!


Upgrade
Gillardeau Auster | plankton beurre blanc | schalotten | szechuan
+ Oscietra Kaviar Prestige Kaviari
Als nächstes kam Oscar mit diesen beiden kleinen Leckereien aus der Küche. “Wenn Du schon Mal hier bist”. So lasse ich mir Auster gefallen. Insbesondere die Plankton Beurre Blanc brachte ordentlich Power in die Zubereitung ohne die rohe Auster zu unterdrücken. Ein Schalottenkompott, Schnittlauchöl und der Pfeffer trugen zum Genuss bei.
Ganz anders vom Geschmacksbild und Intensität war der Kaviar, der mit einer Buttermilch- Vinaigrette und Cassisholzöl serviert wurde. Ich beschreibe diese Zubereitung als mild und fein ausbalanciert, zumal der Kaviar vom Aroma her mild war und keine spitze Salzigkeit zeigte.

chipotle | buttermilch | kaffirlimettenöl | birne
Weinbegleitung: Beauvoirs 2020 Chenin, Bonnigal-Bodet Vignerons, Amboise
Als idealer erste Gang im Sinne der Vorbereitung der Geschmackknospen entpuppte sich die Kohlrabi-Zubereitung. Der gehobelte Kohlrabi fermentiert im Beutel mit Yuzu hatte genau die richtige Textur und Säure. Interessant dazu war die Brunoise von der gepickelten Nashi-Birne. Chipotle-Salzkaramell-Ketchup am Boden der Schüssel trug Schärfe bei. Die Buttermilch agierte als verbindendes Element und Chili-Kaffirlimettenöl offenbarte noch zusätzlichen Geschmack.

lachsforelle | mandarinen kosho | kohlrabi
Dieser Gang ersetzte die noch auf der im Internet einsehbaren Menükarte aufgeführten Dumplings. Auf dem Boden des Tellers wurde Creme Fraîche mit Forellenbauchtatar überschichtet und mit Sashimi von der Lachsforelle abgedeckt. Der Fisch hatte phantastische Qualität. Ferner gab es noch Shio Kombu (das “Stroh” obenauf), ein Kosho unter Verwendung von Madarinenschalen, knusprige Reisperlen, Meerestrauben (seagrapes), eine Kohlrabi- Vinaigrette und Sancho-Pfefferöl.
Shio Kombu sind normalerweise mit Sojasauce, Mirin und Zucker gekochte und dann getrocknete Algen. Ein Kosho, z.B. auf Yuzu-Basis, ist normalerweise eine Paste hergestellt aus mit Salz und den Zesten und dem Saft der Zitrusfrucht fermentierten frischen grünen Chilis. Neben der bereits erwähnten Fischqualität bestach dieses Gericht durch das schöne Wechselspiel zwischen Säure und Schärfe. Wer mochte, konnte die Schärfe ein wenig mit der Creme Fraîche neutralisieren.

evoo | sauerrahmbutter | wagyu
Picknick: Mit Honig und Wagyu-Fett bestrichenen Brioche und die fermentierte Butter mit Buttermilchanteil kannte ich schon aus dem Auerhahn. Der Brioche in der heissen Kokotte war durch mehr Honig als dort etwas süsser. Hier wurden Brot und Butter zu einem eigentlich eigenständigen Gang erweitert. evoo ist die Abkürzung für extra virgine olive oil, hier vom Produzenten El Mil Del Poaig von ausgesuchten alten und hoch angepflanzten Olivenbäumen in Spanien. Der Schinken vom Miyazaki Wagyu bester Qualität A5 mit etwas Vanille aus Papua- Neuguinea war ganz hervorragend und passte bestens dazu. Dieser Service zeigte neben durch die Köche optimierten Brot und Butter eine Produktqualitätschau von Fleisch und Öl.


BLACK COD
ingwer dashi l galgantöl l lardo
Getränkebegleitung: Wodka | Ingwer-Infusion | Grapefruit-Saft | Zitronensaft | Gurke | Agavensirup
Auf einer Crème von der Piemontesischen Haselnuss befand sich ein gegartes Stück schwarzen Kabeljaus. Darauf wurden dünne Scheiben von Pancetta Iberica platziert. Umgeben war das Ganze von einer Ingwer-Dashi mit Galgantöl. Das Thema dieses Gangs sehe ich im Fett als Geschmacksträger. IM Zusammenspiel mit den anderen Zutaten schmeckte dies sehr gut. Dazu setzte der Cocktail mit seiner Säure/Zitrusfrucht einen idealen Kontrapunkt.

königskrabbe | chorizo beurre blanc | shiso | rosinen
Weinbegleitung: Rully 1er Cru Marissou, Pinot Noir, 2020, Domaine Saint-Jacques
Dieser Hauptgang war ein echter Kracher. Die Kombination von Kichererbsen Tempe, der Chorizo-Beurre Blanc mit dem ultrazarten und Dank Kurzreifung geschmacksintensiven Fleisch der Perlhuhnbrust, das unter dem Shisoblatt geschickt versteckte gezupfte Königskrabbenfleisch und das Rosinenkompott als Kontrapunkt machten daraus einen Hochgenuss.


KARDAMOM GLACE
heidelbeere | oolong
Getränkebegleitung: Cocktail Rote Beete Pulver | Gin | Sellerie-Infusion | Pepper Likör | Weisser Wermut | Champagner | Holundersirup | Sellerie-Öl
Das Dessert war “nur” gut im Vergleich zu den anderen sehr guten bis hervorragenden herzhaften Gängen. So ähnlich hatte ich es ja schon im Auerhahn gegessen. Hier war es Blaubeerkompott am Boden der Schüssel, dann die Oolong-Mousse, darauf das Kardamom-Eis und schliesslich getrocknete Milchhaut. Etwas Cassisholzöl wurde am Tisch auch hinzugegeben. Das resultierte dann in einem Dessert unterschiedlicher Texturen und Aromen und war eindeutig der nicht-süssen Trendlinie zuzuordnen.
Der Cocktail dazu war für mich leider komplett ungeniessbar. Hier dominierten Sellerienoten und bittere, wahrscheinlich vom Wermut her. Mir erschloss sich auch nicht die Idee der Kombination mit dem Dessert. Der Cocktail nahm davon nichts auf und setzte auch keinen sinnvollen Kontrapunkt dazu wie es bei der ersten Essens-Cocktail-Kombination der Fall war.

choux de bourgogne | tonkabohnen
tartelette | lemon curd | baiser
Die Friandises waren dann wieder sehr gut mit zwei komplett unterschiedlichen Geschmackswelten: Zum einen das sehr knusprige Tartelette mit Lemon Curd am Boden unter Verwendung von Yuzu, zitronig, säure-betont und darüber süssliches mit Holzkohle abgeflämmte Meringue, und andererseits der mit einer hellbraunen Crème gefüllte Choux mit ganzer und gehobelter Macadamia, der eher die nussige, karamellige und Vanille-Richtung bedient.
Fazit
Ich habe sehr gut gegessen. Highlight war für mich ganz klar der Hauptgang. Hier und da muss man vielleicht noch nachjustieren, dann ist es aber perfekt. Was ich hier anzumerken habe, ist Jammern auf sehr hohem Niveau. Den Küchenstil finde ich sehr spannend. Ich komme bestimmt wieder. Das Menü soll alle zwei Monate wechseln und mein Kurzbesuch in der Küche zeigte, dass es in Bezug auf die eingemachten Zutaten schon vorbereitet wird. Oscar sagte, er habe das neue Menü schon geschrieben.
Nadine Baumgartner führt den Service souverän.
Ich hatte noch die eine oder andere interessante Konversation mit der Inhaberin Yifei Ledermann. Aus dem in Englisch geführten Gespräch war erkennbar, dass man sich nicht auf dem Erreichten ausruhen will, sondern dass hier ein absoluter Wille zur ständigen Verbesserung da ist.
Website: AN – Restaurant (an-restaurant.com)











































