Besucht im August 2025
Mittagessen
Bewertung: Zwei Michelin Macarons
Normalerweise publiziere ich chronologisch. Den Bericht über dieses letzte Menü des Monats August ziehe ich allerdings vor. Geneigte Leser haben so noch die Chance, das bis Mitte Oktober erhältliche Menü zu probieren.
Der kulinarische Abschluss des Monats August sollte das 100/200 sein. Ich habe ja vor, alle vier Saisons im aktuellen Zyklus mitzunehmen. “Die Saison – Das Beste des Spätsommers”, wie das vegetarische Menü in den Monaten August/September/ Oktober heisst, ist nun die zweite davon. Ich hatte diesmal einen sehr schönen Tisch zwischen Fenster und Küche und konnte so manche Tätigkeit in der Küche beobachten. Ich beschränkte mich an diesem Mittag auf drei Gläser Wein, konnte aber dankenswerterweise jeden der begleitenden Weine probieren.


An der Showbar wird ein schön intensiver Tomaten-Tee mit geräuchertem Wacholder-Öl serviert. Man ist sehr stolz darauf, nun den eigenen Mascarpone hergestellt zu haben.
Es gibt neue fünf Einstimmungen.


Tomate und Kombu-Alge – sauer
Kristallbrot und Kohl – salzig
Salat – bitter
Gouda, Alge und braune Butter – Umami
Dazu: Wasserkefir, Lavendel
Die Einstimmungen bilden die 5 Geschmacksrichtungen teils subtil aber treffend ab. Die rote Beete wird als Gelwürfel dargeboten. Die Tomate ist mariniert, angetrocknet und hat Kombu-Gel obenauf. Auf dem Kristallbrot befindet sich Kohlcrème und Shiitakepulver. Beim Salat hat man Radicchio verwendet, um das Bittere zu betonen. Gouda, Alge und braune Butter wurden für eine Brühe eingesetzt.

Schnittlauch-, Rosmarin- und Chili-Öl, aufgeschlagene Butter und Brot. Wie immer gut.


2023 Welsch-Riesling Lemonade Petr Korab, Tschechische Republik
Als der Hauptteller dieses Gangs an den Tisch kam, scherzte ich, dass es etwas früh für ein Dessert sei. Dieser Teller könnte vom Aussehen her gut und gerne ein im Le Bernadin, New York, serviertes Karamelltörtchen mit Tahiti-Vanille-Eiscrème sein.
Das sehr edel aussehende Gericht bestand aus einer Artischocken-Tarte, einem Tomaten- Lorbeer-Eis und einer aufgeschnittenen vorwiegend grün aussehenden Tomate auf Fenchelcrème, Chili-Emulsion und mit ein wenig Estragon. Ich fand es schlicht sensationell. Wüsste man es nicht besser, könnte man meinen, einem sei hier eine Entenleber-Crème untergejubelt worden. Dazu tragen natürlich Farbe und Textur der Tarte-Crème bei. Ich hatte den Eindruck, hier kam es auch gar nicht darauf an, den Geschmack der Artischocke perfekt herauszuarbeiten. Bei all den Versuchen von Foie Gras Ersatz, die ich in der Vergangenheit probiert hatte, wie z.B. Noix Gras, war dies hier die überzeugendste, auch wenn es vielleicht gar nicht die Absicht war. Die kandierte Haselnuss obenauf, das sehr intensive Tomateneis mit changierender Süsse und Umami-Aromen und die à Part servierte Spitzentomate mit ihren Begleitern machten für mich dieses Gericht zu einem klaren *** Gericht.
Der interessante Wein bekam, zusammen mit dem Gericht getrunken, noch einmal einen ganz anderen Twist.

2023 Sauvignon Blanc Fumé Mosbacher, Pfalz, Deutschland
In der kalten Kartoffel-Lauch-Crème befanden sich ein Austernpilz, Tatar vom gebrannten Lauch und Lauchöl. Die sehr knuprige frittierte lange Kartoffelstange hatte Mayonnaise und Schnittlauch obenauf. Dieses klassische französische Gericht, das ich liebe und mich an die Zeit von Escoffier denken lässt, wird leider viel zu selten serviert und war hier optimal umgesetzt.



Sangiovese Bakkanali Rosso, Grosseto, Toskana, Italien
Nach den feinen zwei ersten Gängen wechselte das Menü nun wieder in eine rustikalere typische Imbusch-Richtung. Das à Part servierte kleine geröstete Brot mit Rettich, Sellerie, Salat und einer Crème war noch filigran und offenbarte Frische, Säure, Cremigkeit und vom Brot herrührenden Knusper. Die Schüssel mit allem von der Bohne hatte dann ordentlich “Wumms”. Dazu trugen viel Umami, Raucharomen und ordentlich Salz bei. Unter anderem befanden sich unter dem Schaum Bohnencrème, gegrillte Bohnen und eine Soja-Gelscheibe. Der kräftige Wein weniger auf der fruchtigen Seite konnte damit gut mithalten.

2021 Abouriou Elian Da Ros Côtes du Marmandais, Aquitanien, Frankreich
Auch dieses Mal drehte sich der “Saison” Hauptgang um Pilz. Der Kräutersaitling war stark gegrillt worden, was ihm eine fast fleischige Struktur verlieh. Als Begleiter hatte er Paprika, Buchenpilze und sauer eingelegte Totentrompeten. Verschiedene Saucen komplettierten den Teller: Pistazie, Paprika und Bärlauch (dunkel). Die Bärlauchcrème war aus eingelegten Bärlauchknospen zubereitet worden. Dazu wurde ein vom Service so bezeichnetes “Wischbrot” gereicht, um die Reste der flüssigen Zubereitungen hinterher aufzunehmen.


Dazu: Pilz, Kombucha, Kakao
Keine Änderung im Vergleich zum letzten Mal. Immer noch sehr gut.

2011 Riesling Auslese “Goldloch” Diel, Pfalz, Deutschland
Simpel und gut. Die Worte des Service zitierend: Nicht Schwarzwälder Kirsch und auch nicht Tiramisu, aber irgendetwas dazwischen. Und darin: der eingangs erwähnte selbstgemachte Mascarpone, eingelegte Kirschen, darüber ein Schokoladenbiskuit und darauf ein Schokoladeneis mit etwas Fleur de Sel.

Wie immer etwas zum Geniessen am Schluss: süss, salziges Brioche, Crème Chantilly auf Pralinencrème

Lakritz, Himbeer, Zitrone
Haben uns zuhause gut geschmeckt. Textur war auch in Ordnung.
Fazit
Dieses vegetarische Menü gefiel mir noch einmal besser als das von meinem ersten Besuch im 100/200 vor einem Jahr. Der Mix aus typischen Imbusch-Gerichten wie Bohne und Brot, feiner französisch geprägter Küche wie das superbe Artischockengericht und die Vichyssoise und augenzwinkernden Klassikern macht hier den Reiz aus. Als wiederkehrender Gast etablierte sich inzwischen auch eine sehr gute Kommunikation mit dem Service inklusive den servierenden Köchen, sodass ich mit meinem Besuch rundum zufrieden war.
Website des Restaurants: Restaurant 100/200 – ausgezeichnet mit zwei Michelin Sternen. In Hamburg































