Abendessen
Besucht im November 2023
Bewertung: Zwei Michelin Macarons (2023)
Ich habe mein Elektroauto zum Laden bei Aldi abgegeben und bin in der Zwischenzeit etwas Essen und Trinken gegangen. Das ist wohl die Idee von moderner Elektromobilität, denn das Laden ist ja nicht, wie das Tanken von fossilen Brennstoffen, in fünf Minuten erledigt. Wenn man dann noch in einem hoch dekorierten Restaurant essen gehen kann, na umso besser. Aldi ist natürlich ironisch gemeint, wurde der Öschberghof mit angeschlossenen zweieinhalb Golfkursen, in dem sich das Restaurant befindet, ja ursprünglich Mal von einem der Aldi-Brüder gegründet.
Zur weiteren Beschreibung des Etablissements sei auf meinen Bericht vom letzten Jahr verwiesen.
Zwei Menüs stehen zur Auswahl: Menü Noir mit Fisch und Fleisch, Menü Vert vegetarisch. Man kann 5, 6 oder 7 Gänge auswählen und zwischen den Menüs Gänge austauschen. Die Gerichte der Menüs sind auch à la Carte wählbar. Die Zahl der Gänge und der Menüpreis ist auch mühelos nach oben zu treiben, können doch drei Zusatzgerichte mit verschieden grossen Portionen Kaviar, ein alternatives Dessert (Schokoladensoufflé) und ein Gericht um Langoustine mit passender Krug Champagnerbegleitung dazugewählt werden. Neben der umfangreichen Weinkarte werden drei verschiedene Getränkebegleitungen offeriert: Weinbegleitung altes Handwerk, Weinbegleitung Grand Cru und eine Saftbegleitung.
Ich startete mit einem alkoholfreien Zitronen-Tonic aus dem Siphon als Aperitif.
Nach Austausch mit dem Sommelier Herrn Häni entschied ich mich für das komplette Menü Noir, auch wenn Austern und Taube eigentlich sonst nicht zu meinen Favoriten zählen. Dazu wählte ich einen Weisswein und einen Rotwein aus der “Altes Handwerk” Weinbegleitung.
Schon ging es los.
Menü Noir



Pecorino-Windbeutel mit Auberginencrème,
Sülze von gepökelten Schweinebäckchen mit Radieschen, Schnittlauch und Brotsalat,
Maistaco mit Makrele und Salsa Verde
Auch diesmal werden meine Beschreibungen genau sein, wird doch zu jedem Gang ein kleines Kärtchen mit sehr genauer Beschreibung des Dargebotenen gereicht.
Alle drei Kleinigkeiten waren texturell und geschmacklich fein gearbeitet und schmeckten somit sehr gut. Der Pecorino war auf dem Windbeutel aussen schmeckbar, die Auberginencrème innen sehr aromatisch. Der sehr knusprige Taco hatte u.a. Steinkraut als Zutat auf der Füllung. Die Sülze mit einem Geleespiegel am Boden zeigte die typischen Sülzaromen. Die Komposition schmeckte frisch, die Erbsen waren angenehm knackig.

King Crab Salat mit Staudensellerie, Selleriecrème, Grapefruit-Gel, gepickelter Sellerie, Grapefruitsegmente
Schönes kleines Gericht, bei dem allerdings der Selleriegeschmack etwas zu sehr im Vordergrund stand, sodass die Süsse des Königskrabbenfleisches und die Bitterkeit und Zitrusaromen der Grapefruit nicht so gut zu schmecken waren.


Roggenbrot mit Kümmel aromatisiert,
Zitronenbutter mit frischer Amalfi-Zitrone und Piment d’Espelette,
Australisches Meersalz,
Kräuterbutter aus 7 verschiedenen Kräutern,
Öl mit Liebstöckel aromatisiert.
Die beiden Crèmes und das warme Brot waren für sich allein gut. Wie beim letzten Bericht bemerkt, würde ich mir noch ein neutraleres Brot dazu wünschen.


Auf dem Hauptteller für 20 Minuten bei 45 °C in Traubenkernöl konfierter Loup de Mer, Crème von weissen Mandeln, Kopfsalat in Sherry Vinaigrette, grüne Nocke Kopfsalatcrème
Auf dem Nebenteller Ceviche vom Loup mit Tiger Lemon, grünen Mandeln, Nussbutter Hollandaise mit Sherry und Zitrone, Mandelöl
Weinbegleitung: 2017 Sauvignon Blanc “Reserve”, Haras de Pirque, Chile
Eine sehr gute Zusammenstellung, der Fisch noch etwas fest, abwechslungsreich durch den knackigen Salat, etwas Säure von der Vinaigrette und die Nocke von cremiger, samtige Struktur mit sehr gut herausgearbeitetem Kopfsalataroma. Sehr schön auch die Ceviche mit der Hollandaise, die ich bis zum letzten Rest aus der Schüssel auslöffelte.

Pochiert, mit Kalbsjus glasierte Kalbszunge, konfierte Lauchherzen und Lauch à la crème, Austernnage, Salat von gepökelter Kalbszunge mit Lauch
Tolles Surf und Turf Gericht, welches auch von Sven Elverfeld stammen könnte. Einfach gesagt hatte ich hier eine Deklination von Austern, Kalbszunge und Lauch vor mir. Die Kalbszunge hatte ihre typische feste Konsistenz. Sensationell fand ich die Austernnage, deren Saucière am Tisch blieb und von mir bis zum letzten Rest geleert wurde.

gegrillt, gerösteter Fenchel süss-sauer, Sphäre von angedörrten San Marzano Tomaten, Fenchelsalat, Sauce Rouille, Bouchot Muscheln und gerösteter Pfeilkalmar, Focaccia-Chips, Bouillabaisse-Sud
Könnte man vielleicht als dekonstruierte und in anderen Proportionen wieder zusammengesetzte Bouillabaise sehen. Alle Komponenten sind da: Fisch, Meeresfrüchte, Gemüse, die Flüssigkeit, Sauce Rouille und die Chips als Brotkomponente. Auf jeden Fall zeichnete sich das Gericht durch absoluten Wohlgeschmack aus. Speziell das auf dem Holzkohlegrill durch den Chef persönlich gegrillte Stück Rotbarbe konnte mit Textur, Grillaromen und knuspriger Haut begeistern.

Rotbarben auf dem Holzkohlengrill in der Küche, rechts zwei verkohlte Stangen Lauch, die für einen Lauchgang im Menü Vert verwendet werden.
Nun ging es zu den Fleischgängen über. Als erstes war das Kaninchen “dran”.


Ballotine, glasierte Pfifferlinge und Erbsen, Bohnencassoulet mit grünen Bohnen, Cocobohnen und Fèves, Kaninchenessenz mit Sherry und Kräuterhollandaise
Weinbegleitung: 2020 Caprareccia, Villa Caprareccia, Bolgheri, Italien
Kaninchen ist eine eher ungewöhnliche Zutat in der Hochküche. Das obere Bild zeigt die Ballotine vor der Applizierung der Essenz und der Mayonnaise. Es ist gut zu erkennen, dass das Innere (Rücken) und das Äussere (Bauch) aus Kaninchenfleisch besteht. Die Bohnen waren schön knackig und eine ideale Ergänzung.
Das falsche Ei

Die Neutralisation vor dem Hauptgang sollte man wieder raten. Ich erschmeckte als Eigelb die Zitrusfrucht Kalamansi und als Eiweiss einen Schaum aus Kokos und einer Zitrusfrucht, tippte auf Limette. Die Auflösung ergab dann, dass der Schaum richtig erraten war und im Eigelb tatsächlich Kalamansi verwendet wurde. Zusätzlich war dort noch Karotte für die Farbe präsent. Dies konnte man meiner Meinung nach aber nicht schmecken.

Taubenbrust mit Ponzuglasur, Togarashi und Kimchisesam, Gyoza gefüllt mit geschmorter Taubenkeule, Spitzkohl-Kimchi-Rolle, gepickelter Rettich, Sesamcrème und Reischips, Rettich und Erbsenschote auf geschmortem Rettich, reduzierter Taubenjus mit Reisessig
Die Taubenbrust war perfekt zubereitet und dabei wahnsinnig zart. Die japanische Gewürzmischung passte gut. Der Gyoza war geschmacklich gut, wirkte zuletzt gegessen allerdings etwas trocken. Ich würde ihn separat in einer zweiten Schüssel servieren und noch etwas anreichern wie etwa den, den ich beim Wine Awards 2023 in Hamburg hatte. Interessant fand ich den mutigen Einsatz von Schärfe im Kimchi und auch beim roh geriebenen weissen Rettich auf der Scheibe gegarten Rettich. Man hat es ja oft, dass das Kimchi zurückhaltende Schärfe zeigt, um den gelegentlichen Restaurantbesucher in Europa nicht zu verschrecken. Neben der Taubenbrust war der zweite Star auf dem Teller der dunkle, zähflüssige Taubenjus, von dem kein Tropfen zurück in die Küche gelangte.

vom Tölzer Käsladen mit eingelegtem Périgord Trüffel, Estragonpuder, Croissant-Eis, Minicroissant, rote Johannisbeeren und mit schwarzem Pfeffer eingelegte schwarze Johannisbeeren, Cassisgel, roter Johannisbeersud
Der getrüffelte Camembert in diesem Käse-Gang hatte nichts mit dem zu tun, was man manchmal im Supermarkt erwerben kann. Er wurde auch nicht so vom Tölzer Käsladen erworben, sondern hausgemacht. Dazu wurde der Deckel des Camemberts abgehoben und der Kern mit eingelegtem Trüffel versehen. Wie man auf dem Foto sieht, war der Käse selbstverständlich perfekt gereift – kurz ein Hochgenuss. Das kleine knusprige Croissant auf dem Eis von ebendiesem war interessant, die Estragon- Komponente glücklicherweise zurückhaltend. Der Gang hatte alles, was normalerweise in Zusammenhang mit Käse serviert wird: Käse, Frucht, Brot.

Passionsfrucht-Panna Cotta, knuspriger Passionsfruchtbiskuit, Sorbet von Passionsfrucht und Kombucha, Grüntee-Espuma mit Grünteepulver, Passionsfruchtgel und -kompott
Sehr schönes Pré-Dessert. Die Variation der zwei Grundkomponenten Passionsfrucht und Grüntee, die Fermentationskomponente und die Darbietung unterschiedlicher Texturen und Temperaturen ist hier perfekt gelungen. Davon hätte ich noch eine zweite Portion genommen.

Namelaka von Bahibe-Schokolade, Kirschsorbet, Kirschragout und –gel, Bahibekiesel, eingelegte rote Beete, Erdnusscrème und geröstete Erdnüsse, Rote Beete-Gelee, Quinoaknusper, Kirschsud
Da es sich beim Dessert durch die Zutaten Kirsche und rote Beete um eine sehr dunkle Zubereitung handelte, habe ich zur besseren Erkennbarkeit der Einzelkomponenten die Belichtung beim Fotografieren voll aufgerissen – daher die quitschige Farbe. Es handelte sich um ein nicht zu süsses Dessert mit einem schönen Spiel zwischen Kirsche und Beete mit deren unterschiedlichen Aromen. Namelaka steht für “weiche Crème” und ist die hellbraune Scheibe am Boden des Tellers. Sie ist aus Bahibe Lactée, einem Typ Valrhona Edelschokolade hergestellt, deren Kakao ausschliesslich aus der Dominikanischen Republik kommt.

Alle waren gut bis sehr gut. Die Kugel bildete den imitierten Drink gut ab. Der Baba wurde als Favorit des Service angekündigt und war tatsächlich sensationell gut.
Fazit
Hier arbeitet der Chef voll mit und steht nicht nur am Pass und schmeckt ab. Grill- und Saucenposten sind seine. Das Saucenhandwerk hat mich hier auch sehr überzeugt. Man beachte meine Bemerkungen zur Austernnage und zum Taubenjus. Es besteht insgesamt wenig Verbesserungspotential. Somit spielt die Küche in der oberen Liga von Restaurants mit gleicher Bewertung. Der Service war tadellos.
Internet: Restaurant Ösch Noir



























