Mittagessen
Besucht im Juni 2022
Bewertung: Zwei Michelin Macarons
Eine Reise nach München eröffnete die Möglichkeit für einen ersten Besuch in der Restaurantlegende Tantris, die ich als Keimzelle der Gourmetküche in Deutschland wahrnehme. Ich hatte wegen der Pandemie leider verpasst, dieses Restaurant noch zu Zeiten des vorherigen Küchenchefs Hans Haas zu besuchen.
Nachdem Herr Haas zum Dezember 2020 in den Ruhestand ging und nach umfangreichen Renovierungsarbeiten des Denkmalgeschützten Hauses, eröffnete dieses wieder im Oktober 2021 unter neuer Leitung und mit neuen Köchen. Das neue Konzept sieht ein Menürestaurant im vorderen Bereich und ein à la Carte Restaurant im hinteren Bereich vor. Ursprünglich hatte ich vor, im à la Carte Restaurant mit dem Namen Tantris DNA zu reservieren. Allerdings teilte mir die nette Dame am Telefon mit, dass das DNA aufgrund angespannter Personalsituation vorübergehend geschlossen sei. Die telefonische Reservierung war übrigens vom Service und der Freundlichkeit eine der angenehmsten, die ich in letzter Zeit tätigen konnte.
Wie ich im Nachhinein feststellen konnte, gibt die Website des Tantris Maison Culinaire umfangreiche Informationen über Geschichte, Konzept und die Veränderungen der jüngsten Zeit.
Mittags wird hier ein 6-Gang Menü angeboten, welches man auf 4 Gänge verkürzen kann. 4 Gänge bedeuten Wahl des Hauptganges Fisch oder Fleisch und Wegfall des ersten Desserts. Ich entschied mich für das 4-Gang-Menü mit Fisch als Hauptspeise. Es stehen auch zwei Getränkebegleitungen zur Verfügung, genannt Weinbegleitung und Premium. Soviel Wein sollte es für mich nicht sein. Ich machte mit dem Sommelier aus, einen Weisswein zu den beiden Vorspeisen und ein weiteres Glas zur Hauptspeise zu nehmen.
Einstimmungen wurden gereicht.

Mit Sepia-Tinte gefärbtes Panna Fretta gefüllt mit Fenchelcrème, Rettichscheibe, Forellenkaviar
Rote Beete-Chip mit Ziegenfrischkäse und Ingwer eingelegt und als Gel
Polenta-Tartelette mit Erbsen auf Pistazien-Minz-Pesto
Buchweizencracker gefüllt mit marinierten und bedeckt mit dünnen Scheiben vom Kaiserling, Pedro-Ximenez-Crème
Alle gut bis sehr gut. Besonders angetan war ich von der Erbse. Das Pesto war in der Intensität und Portionierung so austariert, dass es die Erbsen von sehr guter Qualität optimal in den Fokus rückte.
Auch die Pilzzubereitung war eindrücklich: Umami durch die Pilze und interessantes Süsse-Säure-Spiel zusammen mit der Sherry-Crème.

Weiterer Gruss aus der Küche: Aufwendig gearbeitete Terrine mit drei Schichten pochierter Entenleber, zwei Schichten Rhabarber, einer gelierten Jus-Schicht oben. Bedeckt war die Terrine mit einem gebackenen Chip aus Topinambur-Mehl, der Spekulatius-Aroma hatte.


Der Teig für das Baguette ruht 48 Stunden, bevor er weiterverarbeitet wird. Dementsprechend gut schmeckt es.

Weinbegleitung für die ersten beiden Gänge: 2016 Horizon Blanc, Domaine de L’Horizon, Côtes Catalanes, Frankreich
Ich bekomme fast noch Gänsehaut, wenn ich an dieses Gericht zurückdenke! Neu auf der Karte, wie mir gesagt wurde, ist das für mich der Sommer in ein Gericht gegossen. Kühl, frisch, Meeresbrise.
Wir haben hier ein Törtchen aufgebaut aus: Wassermelone, angetrockneten gelben und roten Tomaten, gezupftem Taschenkrebs, geräucherter Tomaten-Bavaroise, gelierter Krustentier-Consommée, Liebstöckelmayonnaise, Avocado-Crème, Zucchini-Chip und noch einigen anderen Dekorationselementen. Einfach grossartig!


Unter einem Berg von dünn geschnittenen im offenen Kochbeutel gegarten Pulpo-Tentakeln befand sich ein Stück gegarte geräucherte Aubergine. Diese wiederum lag auf eingelegten Zwiebeln, welche umgeben waren von einem mit Sepia-Tinte gefärbten Sepia-Sud. Damit dieser nicht unter den Pulpo-Scheiben herauslief, wurde der “Sepia-See” von Auberginenpüree im Zaum gehalten. Sehr schönes Mediterranes Gericht, welches in Bezug auf die Anrichtung auch clever umgesetzt ist.
Dazu gab es ein mit Anis aromatisiertes Pain Feuilleté, ein mit reichlich Butter gebackener Hybrid zwischen Brioche und Blätterteigbrot. Dieses Brot war von Textur und Geschmack sensationell! Die Anisnoten waren nur subtil schmeckbar, genau wie es sich gehört. Hier kam sehr schön zum Vorschein, was es bedeutet, die Bäckerei im eigenen Haus zu haben. Die Beigabe eines extra Gebäcks zu diesem Gericht ist überraschend, kennt man es doch gewöhnlich nur vom Brioche zur Foie Gras.

Weinbegleitung: 2018 Pouilly-Fuissé “Les Crays” Chardonnay
Steinbuttroulade ummantelt von Estragon, Hechtfarce, Spinat und Gebäck. Auf der einen Roulade eine Nocke Daurenki-Kaviar, eingelegte Zwiebel und Nouri-Algen-Chip. Eine Beurre Blanc auf Wermut Basis mit Schnittlauch, Schalotten, Kaviar und Steinbutt ergänzte das Ganze. Ich habe es nie bezweifelt, aber der Steinbuttanteil in der Beurre Blanc zeigt klar, dass ganzer Steinbutt in der Küche verarbeitet wird. Wo sonst sollen die kleinen baseballförmigen Stücke herkommen, die ich aus dem Saum des Plattfisches kommend lokalisiere?
Die Roulade schmeckte sehr gut, vor allem, wenn man sich die Gabeln so zusammenstellt, dass von jeder Schicht etwas dabei war. Die Beurre Blanc zeigte deutlich Säure aber nicht zuviel. In diesem Fall konnte der Fisch das ab, nicht wie letztens im Pavillon beim Zander.


Weinbegleitung: 2014 Syrah ’Ripa Sinistra’, Yves Cuilleron Rhône, Frankreich
Nun war es eigentlich an der Zeit, zum süssen Teil des Menüs überzugehen, aber die Tatsache, dass grosses Besteck mit Fleischmesser aufgedeckt wurde, deutete darauf hin, dass es noch nicht soweit war. Dies war kein Irrtum. Die nette Dame vom Service und der Sommelier gaben mir zu verstehen, dass der Küchenchef Herr Chmura mir noch etwas ausser der Reihe zum Probieren geben wollte.
Ein Entenleberkubus in der Mitte war von Spinat ummantelt und dieser wiederum von Taubenfleisch umgeben. Zusammengehalten wurde die runde “Roulade” von Parmaschinken. Darunter befand sich ein Bett von Waldbeeren: Walderdbeeren, Heidelbeeren, Johannisbeeren. Ein hervorragender dunkler Jus rundete das Ganze ab. Es schmeckte exzellent! Die Roulade erinnerte mich ein bisschen an die Taubentournedos, die ein Klassiker in der Auberge de l’Ill sind. Die Beerenbegleitung statt der mit Pfifferlingen und Erbsen, wie sie auf der Menükarte stand, ergibt für mich Sinn, zumal wenn man die Entenleber zur Hauptkomponente erklärt. Sie stellt die Ergänzung dar, die Fruchtigkeit und Säure zu Vorspeisen beiträgt, die Leber zum Thema haben.
Das mit Taube und reichlich Butter aromatisierte Röstbrot mit dem Aufstrich aus Taubeninnereien war knusprig, fettig, herzhaft und ergänzte den Hauptteller passend. Entsprechend meinen Wünschen nach reduziertem Weinkonsum wurde für diesen Gang und das zweite Dessert jeweils nur eine kleine Menge Wein eingeschenkt. Der Shiraz von der Loire passte sehr gut zum Wildaroma der Taube und zum Jus.
FRAISE Milchreis · Vanille · Madeira
Weinbegleitung: 2019 Bugey ’Cerdon’, Renardat Fache, Savoyen, Frankreich
Das Dessert bestand aus 5 Türmchen mit Wänden aus Reishippe und hellen Crumbles als Boden. In zwei dieser Türmchen waren Milchreis und obendrauf marinierte Erdbeerwürfel, in dreien Erdbeersorbet mit Vanillecrème darüber gefüllt. Am Tisch wurde noch eine mit Madeira verfeinerte Erdbeer-Sauce angegossen. Die Türmchen liessen sich am besten in einem Stück essen. Das führte im Falle des Sorbets wegen der Dimension des Türmchens zu einem etwas kalten Erlebnis. Das Erdbeer-Dessert schmeckte mir sehr gut. Leider habe ich kein brauchbares Bild dieses Desserts zur Hand.
Die prickelnde Getränke-Begleitung dazu war sehr passend, zeichnete sie sich fast auch durch ein Erdbeeraroma aus.

Weinbegleitung: 2016 Roussilière Doux, Yves Cuilleron
Auch die Patisserie entschied sich, mir ausser der Reihe noch etwas Neues zum Probieren zu geben. Ein Gel am Boden bildete die Basis. Dieses nahm ich als eher Geschmacklos wahr. Darauf befanden sich kleine Würfel marinierter Pfirsich, Earl Grey Sorbet, eine Hippe aus karamellisiertem Zucker, eine Verveine-Crème mit Pfirsichgel-“Auge” und vier Mandelhippen mit Earl Grey Spuren zum Abschluss. Das Dessert ist von der Zusammenstellung der Zutaten und Bereitung der Texturen stimmig und schmeckt so schon gut. Da ich auch die Verveine nicht wahrnehmen konnte, benötigt es meiner Meinung nach beim Gel und bei der Crème noch etwas geschmackliche Nachjustierung.

Die gelbgrüne Schnitte hatte ich mir zum Zeitpunkt des Fotos schon einverleibt. Die Baiserhälften des in Tantris-Farben gehaltenen Macarons waren weich und Gummiartig. Wie Herr Chmura im Gespräch hinterher auch zugab, hat man ein Problem mit der Lagerung in der in den letzten Tagen vorherrschenden höheren Luftfeuchtigkeit.
Fazit
Ich habe sehr gut Mittag gegessen. Die Teller sind fast ausnahmslos kleine Kunstwerke, die man fast nicht wagt zu zerstören, es aber machen muss um zu essen. Ich kann bestätigen, was ich an anderer Stelle meine gelesen zu haben, dass der Aufwand in der Zubereitung in einer optischen Präsentation mündet, der in Restaurants dieses Kalibers in Deutschland zumindest selten anzutreffen ist.
Mich interessiert ja hauptsächlich die Küchenleistung, aber ein Restaurantbesuch ist natürlich immer mehr als das. Der Service unter der Directrice des Restaurants machte ebenfalls einen sehr guten Job.
Ich kam noch in den Genuss einer Führung durch Küche und Restaurant und es ist wirklich eindrücklich zu hören und zu sehen, wie hier optimiert wurde und was bei der sanften Renovation alles zu bedenken war. Zum Beispiel mussten die orangen Fliesen für die unteren Küchen extra angefertigt werden.
Das Tantris in München ist jedenfalls eine kulinarische Destination, die jeder Gourmet auf seiner To-Visit-Liste haben sollte.
Website des Restaurants: Tantris Maison Culinaire