Mittagessen
Besucht 2021
Bewertung: 2 Michelin Macarons
Das Gourmetrestaurant liegt im 5 Sterne Hotel Le Chambard am Ende der Fussgängerzone in dem Örtchen Kaysersberg nahe Colmar.
Ich hatte ja letztes Jahr schon drei 2 Sterne Erfahrungen im Elsass, zwei in der Auberge de l’Ill und eine bei Yves Schillinger in Colmar noch am alten Standort. Nun wollte ich einmal mit einem neuen Restaurant vergleichen.
Aufmerksam bin ich auf dieses Restaurant geworden durch diesen Bericht, den ich vor langer Zeit einmal gelesen hatte. Betritt man das Hotel durch den Haupteingang, so befindet sich links die Rezeption, geradeaus eine Glasscheibe, durch die man in eine Küche mit vielen Toque bestückten Köchen werfen kann und rechts der Eingang zum Gourmetrestaurant. Aperitif und Kaffee könnte man auf einer vorgelagerten Terrasse nehmen, ich verzichtete aber gern darauf, da sich die Touristen-bevölkerte Fussgängerzone doch recht nah befindet.
Mit dem Maître d’Hotel und einer sehr netten älteren Dame konnte man gut Deutsch kommunizieren, alles andere lief auf Englisch ab, ist doch mein Französisch nicht so perfekt, als dass ich ohne Probleme durchkommen würde.
Angeboten werden hier zwei Menüs, ein kürzeres noch regionaleres und ein längeres. Ausserdem kann man auch à la Carte bestellen. Ich entschied mich für das grosse Menü L’EXPRESSION. Beim Fischgang hat man die Wahl zwischen Felchen aus dem Genfer See und dem Saibling, der aus einem Dorf weiter kommt.
Mit dem Sommelier meinte ich abgemacht zu haben, eine von der Menge reduzierte Weinbegleitung zu bekommen.
Auf Regionalität legt man hier sehr hohen Wert, was sich in den Zutaten und auch in typischen Zubereitungen ausdrückt.
Und schon ging es los.
Das Elsaß in kleinen Happen




Bis auf die Crème vom Aal waren alle Geschmäcker sehr gut herausgearbeitet. Die kleinen Happen gefielen mir sehr gut.

Flammkuchen, dieser für das Elsass typische Teigfladen, belegt mit Zwiebeln, Speck und Creme fraîche, kommt hier dekonstruiert daher, als lauwarme Crème mit den typischen Aromen und knusprigen Teigsticks. Die Crème schmeckt nicht sehr intensiv nach den genannten Komponenten. Man hat den Eindruck, man stösst erst auf dem Boden der Schale zu Ihnen vor. Trotzdem gut.

Weinbegleitung: Sittweg, La Grange de l’Oncle Charles 2018, Elsass
Gebratenes, geräuchertes Aalfilet in der Mitte mit Petersilienpaste gefüllt, Petersiliencrème, Orangencrème, die wie Senf benutzt werden soll, Stücke vom Orangenfilet, Lauchstange.

Weinbegleitung: Riesling Diebswinkel, Domaine Gross 2019, Elsass, Orange Wein
Der warme Teller kommt mit den auf Fenchel-Karotten-Mirepoix angerichteten Schnecken umgeben von Limetten-Knoblauch-Schaum. Auf den Schnecken befinden sich noch Tupfer von Limettengel. Am Tisch wird noch die grüne “Kräuterbutter” hinzugefügt, wobei es sich mehr um eine leichte Crème handelt. Mit dem Knoblauch wird hier sehr zurückhaltend umgegangen, was dem Gericht sehr zuträglich ist. Das ist so gar nicht Knoblauchbutter mit Gummischnecken…





Weinbegleitung: Riesling Grand Cru Sommerberg, Albert Boxler 2017, Elsass, Coravin
Dies ist offenbar eines der Signaturgerichte von Olivier Nasti und das Spektakel am Tisch absolut wert! Erst wird einem das rohe Saiblingsfilet gezeigt (Bild 1), dann wird am Tisch 70 °C heisses Bienenwachs angegossen (Bild 2), die Holzschachtel wird für 7 Minuten am Tisch gelassen (Bild 3), während dieser Zeit gart der Fisch und das Wachs kühlt ab (Bild 4). Die Schachtel geht zurück in die Küche, der Fisch wird vom Wachs befreit und folgendermassen angerichtet (Bild 5): Mandeln, Mandelpürée, Tannen-Honig-Vinaigrette, Tannengel. Der Fisch bekommt durch diese Zubereitungsart eine einzigartige Textur, die ich nur mit der vom Lachs im Le Bernadin vergleichen kann. Die Tannenaromen sind gekonnt subtil eingestellt, sodass dieser Geschmack den Rest nicht überlagert. Sehr gut!

Dies ist ein etwas aufwändigerer Gaumen-Neutralisator als das oft benutzte Sorbet. Eine Soja-Holunderblüten-Vinaigrette mit kleinen, weissen Holunderblüten wird am Tisch angegossen. Dazu gab es eine Getränkebegleitung im schwarzen Glas. Man sollte raten, was das wohl ist. Da es etwas prickelnd war, schmeckte das für mich wie ein ultra-trockener Cidre. Der Sommelier erklärte mir hinterher, es sei schwierig zum Rhabarber in diesem Teil des Menüs eine passende Weinbegleitung zu finden. Wir sind ja noch nicht beim Dessert, bei dem man mit Süsse einen Kontrapunkt zur Säure des Rhabarbers setzen kann.
Es war Belgisches Bier und zwar Oude Geuze, 3 Fonteinen Jahrgang 18/19.

Dann wurde warmes Brot und dreierlei Butter an den Tisch gebracht. Ein geschickter Schachzug, das Brot erst jetzt zu servieren. Ich habe es bis dahin nicht vermisst. Was für ein Brot! Dazu Butter von links nach rechts: Leicht geräucherte, ungesalzene Standardbutter, leichte Sahnebutter mit Kräutern.


Weinbegleitung: Pinot Noir, Olivier’s Way, Albert Mann 2019, Elsass, Biowein
Man mag das japanisch “Shabu Shabu” nennen oder Fondue Chinoise, auf jeden Fall wurde ein hervorragende heisse Rehconsommée am Tisch auf die noch halb gefrorenen dünnen Scheiben Rehfleisch gegossen.
Auf dem Teller befand sich ferner noch: Mandel, Pflaume, Oxalis und Gänseleber. Sehr gut.

Weinbegleitung: Mondeuse, Champ Levat, Jean Yves Peron 2016, Albertville, Orange Wein
Die Schicht Kaviar ergänzte mit ihrer Salzigkeit das Tatar optimal. Auf dem Kaviar befand sich ein mit Sauerampfer aromatisierte Eisscheibe. Tropfen Sauerampfer-Öl und dünn gehobelte Champignons ergänzten das Ensemble. Hätte es hier noch eine knusprige Komponente wie z.B. ein Kartoffelrösti gegeben, wäre es nach meinem Dafürhalten noch besser gewesen.

Weinbegleitung: Vosne Romanée, Jean Pierre Guyon 2017, Burgund
Das Filet vom Reh war in punkto Produktqualität und Garung über jeden Zweifel erhaben. Was wie ein Kartoffelpürée aussieht, ist der KasKnepfle gemacht mit Frischkäse, darauf knusprige Croutons. Vorn noch Tannencrème mit jungen Tannennadeln und dazu ein Rehjus. Das Cranberry-Gel und die Beeren waren ziemlich sauer – mir zu sauer.


Weinbegleitung: Château-Chalon, Vignes aux dames, Francois Rousset Martin 2012, Jura (Orange Wein)
Hier wird ausschliesslich Käse aus dem Elsass angeboten – Von 6 Uhr im Uhrzeigersinn: Ziegenfrischkäse mit Schnittlauch, 6 Monate alter Ziegen-Tomme, Munster aus Ziegenmilch, geräucherter Munster, 3 bis 4 Monate alter Bleu d’Achinette, der einzige Blauschimmelkäse aus dem Elsass, 10 Monate alter Kuhmilch-Tomme. Besonders gut hat mir der geräucherte Munster gefallen, auch wenn Puristen jetzt die Nase rümpfen. Dazu Kastanien- und Nussbrot. Gute Idee, dazu wird eine kleine Schale angemachter Salat gereicht. Das neutralisiert den Gaumen zwischen den verschiedenen Sorten noch besser als nur Brot.
Der Käse ist nicht Teil des Menüs und muss extra bezahlt werden.

Sehr gut, ohne die Bitterkeit, die Kastanienhonig oft im Übermass hat.


Weinbegleitung: L’abricot du Roulot, ein 25%iger Aprikosenlikör, Burgund


Weinbegleitung: Muscat, Vendanges Tardive, Grand Cru Schlossberg, Kirrenbourg 2018, Elsass
Untendrunter Biskuitboden, Obendrauf Zuckerscheibe und Erdbeer-Kaviar, in der Mitte Vanillecrème
Zum Abschluss die Elsässischen Naschereien




Fazit
So stelle ich mir Gourmetküche auf Spitzenniveau vor. Überraschende Kombinationen, ausbalancierte Aromen, ungewöhnliche Zubereitungen, Spektakel nicht nur um des Spektakels willen und alles schmeckt.
Weinbegleitung: Nun hat es mich innerhalb einer Woche gleich zweimal erwischt. Orange Weine. Für meinen Geschmack nicht ungeniessbar, aber klar auch (noch?) nicht das Beste, was der Weinmarkt zu bieten hat. Die beiden Weinkarten (Elsass und Rest der Welt) sind sehr aufwändig gemacht und dafür zu loben. Hier wird Wert auf Unterstützung der Nachhaltigkeit gelegt, viele der in der Begleitung angebotenen Weine, auch die nicht- Orange, waren Bioweine.
Ein Wort zum Service: Es gab am Anfang und am Ende zwei Unstimmigkeiten, die jedoch zu meiner vollsten Zufriedenheit ausgeräumt wurden. Ansonsten war ich mit dem Service sehr zufrieden. Mit Olivier Nasti selbst habe ich ein nettes kurzes Gespräch geführt. Gerne würde ich mit ihm länger unterhalten. Vielleicht beim nächsten Mal.