Nach unserem sehr guten Mittagessen im Sommer beschloss ich, mit der Familie zu einem Mittagessen hierhin zurückzukehren.
Ich war sehr froh, als ich etwa eine Woche vor unserem Besuch sah, dass sich die Karte geändert hatte. Dies gab mir die Möglichkeit, neue Gerichte zu probieren.
Service war wie immer sehr gut.
Wir entschieden uns zu zweit für das Menü Tradition mit zwei Änderungen: Eine Vorspeise wurde durch das Dinkel-Risotto aus dem vegetarischen Menü ersetzt und ein Hauptgericht durch das Entrecôte aus dem à la Carte Menü. Ich wollte wiederum den Pêche Haeberlin zum Dessert.
Wir nahmen zum Aperitif einen trockenen Muskat von Josmeyer aus dem Elsass 2018. Gut.
Ferner orderte ich ein Glas Pinot Gris 2013 von Trimbach aus dem Elsass und zum Hauptgang ein Glas Rotwein Chateau Clauzet St. Estephe von 2013.
Nun wurden zwei Amuses bouches gereicht.
Amuse Bouche: Presskopf vom Aal mit Sesam, Kräutern und Wasabi; Zwiebeltartelett
Dies war heute sehr gut. Der Presskopf hatte genug Salz und damit einen viel besseren Geschmack, die Zwiebel-Tartelette schmeckte intensiv nach Zwiebel und hatte überhaupt keine Bitterkeit, was bei Zwiebel ja manchmal der Fall sein kann.
Es kam ein weiterer Gruss aus der Küche.
Frittierter Karpfen und Ballotine vom Karpfen, Zitronenmayonnaise, Sauerampfer-Velouté
Das frittierte Stück Karpfen hatte ich zum Zeitpunkt des Fotos schon gegessen. Dieser Gruss aus der Küche gefiel uns sehr gut.
Es ist anzumerken, dass schon im Sommer identische Kleinigkeiten serviert wurden.
Marinierter Hummer mit Yuzu, roter Beete und Haselnuss
Genauere Beschreibung des Gerichtes: warmer Hummer mit Haselnusscrème und Yuzu, Hummertatar bedeckt mit einer Geleescheibe von roter Beete, Schaum von der roten Beete, Mousseline von der weissen Beete mit Haselnussstücken. Sozusagen war dies eine Durchdeklination der drei Komponenten Hummer, Beete, Haselnuss, die auch sehr gut zusammenpassten. Das Gericht war gut, die Hummerqualität nicht überragend.
Risotto aus Dinkel von der Herzog-Mühle mit Wildpilzen der SaisonLachs-Soufflé „Auberge de l’Ill“, Blätterteig-Fleuron, Tomaten Concassée, Riesling-Sauce
Ich habe dieses Gericht nicht erneut fotografiert. Dies ist dasselbe Foto, dass ich im Sommer aufgenommen habe.
Diesmal gab es allerdings ein Problem mit dem Lachs. Dieser war bis auf eine dünne Schicht komplett roh. Dass dies besser geht, wissen wir vom Sommer. Meine Frau wollte dies aber nicht zurückgehen zu lassen.
In der Pfanne gebratener Saibling, Sauerkraut-Raviolo und Räucheraalklösschen, mit Sauerkrautsaft parfümierte Sauce, Brotcroutons, Schnittlauch und Petersilie
Der Fisch war perfekt gegart, die Sauerkrautkomponenten so mild, dass das Geschmacksbild nicht von ihnen erdrückt wurde – kurz: ein sehr wohlschmeckendes Gericht.
Cordon Bleu vom Kalbsbries mit Schinken, Comte-Käse und Brotkruste (in Milch eingeweicht), brauner Jus, Kartoffel-Gnocchi
Man sieht es dem Bild vielleicht schon an: Der Bries-Anteil war trocken. Und es ist bei der traditionellen Zubereitung von Kalbsbries ja das Sensationelle, dass sich unter einer knusprigen Kruste das weiche, saftige Innere des Kalbsbrieses verbirgt. Insgesamt war das Gericht in seiner Zusammenstellung auch enttäuschend.
Entrecôte vom Salers-Rind, Waldpilze, Sauce Bordelaise mit Estragon
Auch hier kann man es vom Foto her schon erahnen. Das Fleisch enthält nicht essbare Faszien. Leider fehlte an den Pilzen Salz und sie waren von der Textur und von der Geschmacksintensivität nicht so, wie erwartet. Der Säureanteil in der Sosse war mir zu hoch, sodass ich nicht das Bedürfnis hatte, die am Tisch verbliebene Saucière “auszuschlecken”.
Auch die à part gereichten Dauphiné-Kartoffeln rissen es nicht raus.
Grand Cru Schokoladen-Tartelette “San Martin” Bio aus Peru, gefüllt mit Noisette Eiscréme aus dem Piemont und Schokoladen Ganache
Eher unspektakulär, Frau und Tochter fanden es aber sehr gut.
Mignardises von linke nach rechts: Truffle mit Grand Marnier, Zitronenmacaron, Sesam-Cracker, Weichkaramell-Schokoladenganache in weisser Schokolade mit Pistazie, Pinie und Goji-Beere, Pflaumen- Tartelett
Alle ganz gut mit dem Macaron und Truffle als Highlight.
Zum Abschluss: Canele mit grüner Chartreuse (ohne Foto)
Fazit
Ich kann nun verstehen, was der Michelin hier in der letzten Zeit gemacht hat. Es fehlt die Konstanz in Produktqualität und Zubereitung und die Abwechslung.
Lachssoufflé innen komplett roh, Pilze ohne Geschmack und Salz, Faszien im Fleisch, Sauce zu viel Säure, Kalbsbries trocken.
Es war vieles ohne Zweifel sehr gut.
Der Service ist sehr gut, man ist flexibel, man kalkuliert fair.
Meine Frau sagte aber: Es war OK. Ok ist leider nicht genug für ein Zwei-Sterne-Michelin Restaurant und dem entsprechenden Menüpreis.
Abendessen Besucht am 10.09.2019 Bewertung: Ein Michelin Macaron
Wow! Dieser Abend verlief ganz anders, als ich ihn erwartet hatte.
Das Mövenpick 20/20 liegt im Zentrum von Zürich unweit des Paradeplatzes im ersten Stock eines
Gebäudes, welches im Erdgeschoss die Mövenpick Weinbar beherbergt. Das Unternehmen Mövenpick
selbst betreibt in der Schweiz und Deutschland einen Weinhandel mit mehreren Standorten.
Das Restaurant ist im Guide Michelin und im Gault Millau (15 Punkte) gleich bewertet wie die Sternen
Badstube, die wir letzte Woche besucht haben.
Nach dem Gang die Treppe hoch wurde ich persönlich mit meinem Namen begrüsst, ohne dass ich nur
ein Wort gesagt hatte. Dies war für den Chef de Service, Herrn Schüler, der sich an diesem Abend um
uns kümmerte, auch einfach, da wir zu diesem Zeitpunkt die einzigen Gäste für den ganzen Abend
waren. Später kam noch ein wahrscheinlich Walk-in, sodass nur ein weiterer Tisch besetzt war.
Eigentlich war ich auf das verkürzte Menü eingerichtet, aber angesichts der Tatsache, dass mein Dinner-
Partner für das komplette Menü bereit war und Herr Schüler sagte, dass wir das Küchenteam ruhig ein
bisschen fordern könnten, entschieden wir uns für die komplette Erfahrung. Ich kann jetzt schon
schreiben: Es hat sich gelohnt.
Unsere Weinerfahrung war ebenfalls speziell: Auch, wenn dem Restaurant manchmal vorgeworfen wird,
sie würden es mit dem Einsatz des Coravin-Werkzeugs übertreiben, stellte sich dies für uns als Segen
heraus.
Trotz der Tatsache, dass aus verschiedenen Gründen nur Weine glasweise in Frage kamen, haben wir
insgesamt 5 Weine probieren können.
Weine: Weiss – Châteauneuf-du-Pape Blanc Tardieu-Laurent 2016, Baigorri Blanco Bodegas Baigorri 2016, Sancerre AOC Grande Réserve Sélection Famille Henri Bourgeois 2017, der nicht auf der Weinkarte stand.
Rot – Merlot Thorn Napa Valley The Prisoner Wine Company Merlot Syrah Petite Sirah Malbec 2015, Casa Cisca Bodegas Castaño 2013.
Ich entschied mich für den Sancerre zu den meisten Gängen, mein Dinner-Partner für den Châteauneuf. Zum Entrecote nahmen wir den Casa Cisca.
Es begann mit mehreren Amuse Bouches:
Carbonara in der Eierschale: “Mini”-Pasta, Wachtelei-Crème, Petersilie, Schinken und Flocken von getrocknetem Eigelb
Umami pur: je tiefer man in der echten Ei-Schale grub, desto mehr wohlschmeckende Lagen legte man frei. War tatsächlich alles drin, was zu einer richtigen Carbonara gehört.
Rechts: Waffeln mit Mousse von geräuchertem Thunfisch, Kalbs-Tartar, Cornichon, Apfel-Gel Links: Gänselebercreme in der Rote-Beete-Hülle, eine Scheibe marinierte rote Beete, karamellisierte Haselnuss
Auch hier tolle wohlschmeckende Kombinationen: rauchige Thunfischcreme, würziges Tartar, knusprige Waffel und als Säurezugabe der Apfel. Zum anderen sehr delikate Gänselebercreme mit einem Spiel von Säure (rote Beete) und Süsse (karamellisierte Haselnuss).
Tapioka-Cracker, Kingfish, Kaviar, Yuzu-Gel
Und zum Abschluss der Kleinigkeiten ein weiteres Highlight: knuspriger Cracker, roher Kingfish – sehr frisch und von hervorragender Qualität, salziger Kaviar und Säure vom Gel der japanischen Bitterzitrone. Alle vier waren einfach toll und machten Lust auf Mehr!
Sehr gutes warmes Brot, spanisches Olivenöl, Butter, Fleur de Sel 20 Gemüse
Bevor der erste Gang des eigentlichen Menüs serviert wurde, gab es das Signaturgericht des Hauses als Extra (für mich ohne Koriander). Das Gemüse, roh, als Creme oder auch “Stein” war von hervorragender Qualität und viele Sorten waren fermentiert. Dazu gab es einen buttrigen Gemüsesaft, der nach unserem Geschmack eine sehr gute Brücke zwischen all den verschiedenen Aromen darstellte. Uns wurde gesagt zum optimalen Genuss alles zu vermischen und dann zu essen. Wir fanden es fast schade, dieses tolle Bild zu zerstören.
Halb getrocknete Cherry-Tomaten, rote Tomate, gelbe Tomate, Tomatenessenz, Balsamico, Mozzarella- Eiscreme (in der Mitte) auf Mozzarella-Tartar, Mozzarella-Sphäre, vakuumierte Wassermelone, Basilikum-Perlen, Basilikum
Dieser Gang war spektakulärer als er sich auf der Speisekarte liest (Mozzarella3, Tomate. Wassermelone. Basilikum & Edamame). Das Vakuumieren im Beutel intensivierte den Geschmack der Wassermelone. Der klassische Insalata Caprese einmal anders. Die Sphäre sollte als Ganzes gegessen werden, damit sie ihren flüssigen Inhalt erst im Mund freigibt. Ich habe noch einen Tag später an diesen Gang zurückgedacht. Ich denke, das sagt viel über dieses Gericht.
Atlantik schwarzer Kabeljau & Gillardeau-Auster Nr. 2, Gurke. Zitrone. Soja & Dill
Es handelte sich hierbei um ein Kabeljau-Tartar im Gurken-Dill-Sud. Obendrauf befand sich ein Gurkensorbet. Am Rand zwei Austern und verschiedene Gurkenvariationen, die ihren Geschmack am besten entfalteten, wenn man mehrere Komponenten miteinander ass. Der weisse Schaum hatte übrigens auch Austerngeschmack.
Eine dicke Tranche geschwärztes Steinbutt-Filet geangelt in der Bretagne mit gebratenen Steinpilzen, weichen Selleriescheiben im Petersiliensud
Hervorragend mit stimmigem Geschmacksbild Richtung Umami.
Luzerner Edelschwein, wilder Carabineros, Karotten, Ingwer, Yamswurzel und Basilikum
Surf & Turf einmal anders: Uns gefiel ganz hervorragend der 48 Stunden im Dampf gegarte Schweinebauch mit seinem Fett als Geschmacksträger. Er hatte keine knusprige Schwarte aber dafür Röstzwiebeln obendrauf für den Crunch. Auch der Carabinero war frisch und perfekt gegart.
Schottisches Angus Entrecôte auf Holzkohle gegrillt, eigener Tee, BBQ Aal, Angus-Tartar, Zwiebeln, Auberginenpüree und 20 Jahre alter Balsamico
Sehr tolle Kombination: Das zarte Fleisch von phantastischer Qualität hatte Räucheraromen vom Grillen und war nur ganz leicht obendrauf mit Fleur de Sel gesalzen. Dazu zwei sehr gute Saucen und an der Seite ein glasiertes Stück Aal ebenfalls mit Räucheraromen. Passend das Püree von der Aubergine. Auf der anderen Seite befand sich dann das Tartar vom gleichen Fleisch wie der Hauptdarsteller.
Crème vom Jersey Blue, kandierte Walnuss, Rosmarin-Gel und Sherry
Als Käse-Gang wurde eine braune Blauschimmelkäse-Crème an die übrigen Komponenten angegossen,
die sich schon auf dem Teller befanden: Drei verschiedene Gels (schwarz, braun, farblos), ein Schwamm
(Sponge) und kandierte Walnüsse. Blauschimmelkäse ist nicht jedermanns Sache und auch wenn sein
intensiver Geschmack hier durch die Zutaten der Crème abgemildert war und die süssen Walnüsse einen
Kontrapunkt setzten, kann ich mir vorstellen, dass viele hiermit ein Problem haben werden.
Der Gang erinnerte mich ein bisschen an einen der besten Käsegänge, den ich je gegessen habe und zwar bei Graham Elliott (geschlossen) in Chicago: Vanilleperlen und kandierte Pecannüsse wurden mit warmem Epoisse aufgegossen.
Dessert: Kokos, Passionsfrucht, Ananas, Mango, Joghurt und Melisse
Das Dessert war erstklassig. Passionsfruchtsorbet, marinierte Mango-Scheiben, Ananas mit Zuckerkaramell, Passionsfruchtperlen, Kokos-Parfait und Joghurt waren ein Hochgenuss.
Süsser Abschluss: Schokoladenküchlein; Sorbet von der geräucherten Banane, Bananenperlen, Espresso- Cannelloni; Salzkaramelleis-Lollis.
Und auch dieser Abschluss hat uns sehr gefallen. Alle drei Süssigkeiten haben uns sehr geschmeckt.
Fazit:
Dies war ein perfekter Abend in jeder Hinsicht. Die Speisen sahen nicht nur gut aus, sie schmeckten fast
alle auch ganz hervorragend. Die Komponenten auf dem Teller waren gut aufeinander abgestimmt. Es
wurden Produkte bester Qualität eingesetzt. Die Zubereitungstechniken waren mit Bedacht gewählt und
perfekt ausgeführt.
Die Weinerfahrung war ebenfalls top und wurde zu einem sehr fairen Preis verrechnet. Herr Schüler hat
uns hervorragend durch den Abend begleitet. Das Tempo war genau richtig.
Sicherlich war die Situation besonders aufgrund der geringen Auslastung des Restaurants an diesem
Abend. Es war warm und die Leute wollten offenbar draussen sitzen. Die Weinbar im Erdgeschoss war
voll! Die Erfahrung hier kann eine andere sein, wenn das Restaurant ausgebucht ist.
Eine Bemerkung noch zu der Bewertung des Mövenpick 20/20 in Restaurantführern. Etwas unverständlich sind diese meiner Meinung nach schon. Wird hier in Zukunft auf gleichbleibendem Niveau gekocht, so sehe ich eine starke Tendenz zu höherer Bewertung. Auf jeden Fall lässt sich das heutige Abendessen nicht mit dem von letzter Woche vergleichen.