Mittagessen
Besucht: Juni 2022
Bewertung: Drei Michelin Macarons
Ich bin immer noch erstaunt, wie gut ein Essen sein kann. Ich war ja vorgewarnt, gibt es doch einige Berichte von Besuchen in neuerer Zeit, z.B. hier und hier und hier. Im ersten Bericht steht: ” Es bleibt dabei, was kaum zur Debatte stand: Besser kann man in Deutschland nirgendwo essen.” Im letzten Bericht steht: “…so zutiefst befriedigend kann man in Deutschland kaum irgendwo essen. Wenn überhaupt.” Dem kann ich voll und ganz zustimmen. Um zu zeigen, wie ich dieses sonntägliche Mittagessen beurteile, vergebe ich zum ersten Mal Noten.
Nachdem ich eine Reservierung im ersten Coronajahr kurzfristig absagen musste, ergriff ich die Gelegenheit anlässlich eines Wochenendes in Nordrhein-Westfalen auf dem Rückweg in die Schweiz einen Umweg zu machen und im Sonnora zu Mittag zu speisen. Die kurzfristige Reservierung zwei Wochen vorher wurde umgehend äusserst freundlich bestätigt. Die Antworten auf die gleichzeitig getätigten Anfragen bei Christian Bau und im Schanz waren von der Laufzeit und Qualität der Antworten eher enttäuschend.
Ich war eine dreiviertel Stunde vor dem Beginn beim Hotel und konnte so sehr entspannt in das Mittagessen starten. Nach einem kurzen Spaziergang durch den Garten begab ich mich in die Lounge und startete mit der alkoholfreien Apfelsinfonie der Manufaktur Jörg Geiger. Bald wurden mir die Menükarten gereicht und auch die ersten zwei Kleinigkeiten wurden in der Lounge serviert.
Meine Wahl fiel auf das Menü inklusive der Option, bei den Vorspeisen die Gänseleber gegen die Tatartorte auszutauschen. Es werden zwei Weinbegleitungen offeriert: Eine klassische und eine gereifte, welche teilweise mit Hilfe des Coravins ausgeschenkt wird. Ich entschied mich bei Gang 1, 2 und 4 für gereifte und bei Gängen 3 und 5 für klassische Weine. Die Menge wurde auf meinen Wunsch bis auf das erste Glas auf halbe Gläser reduziert.
Die Kleinigkeiten in der Lounge waren folgende:

Der Snack war äusserst präzise gearbeitet, perfekt abgeschmeckt, die Zutaten von bester Qualität. Die Zusammenstellung von kleingeschnittener Schwertmuschel, gelierter Orangen-Zitrus-Marinade und samtiger Blumenkohlcreme bewerte ich nicht weniger als (10/10).

Auch dieses mit einem Happs zu geniessende Amuse Bouche war von hervorragender Qualität (10/10).
Im Restaurant wurde dann eine Trilogie serviert:

Weinbegleitung zu den Amuses und dem ersten Gang: 2006 Grüner Veltliner Smaragd Weingut Nikolaihof, Wachau, Österreich
Vorportionierte Gillardeau-Austernstücke, Gurkenwürfel, Gurkengelee, eine feine Gurken-Dill-Emulsion, knackiger Salat und nicht zuletzt drei Nocken Imperial-Kaviar waren hier vereint und riefen auch bei mir als nicht unbedingt Austern-Fan Begeisterung hervor (10/10).

Dies war neben der Tomate, Mozzarella, Basilikum im Mövenpick 20/20 die beste Tomatenzubereitung, die ich je gegessen habe (10/10).

Das Amuse mit gezupftem Taschenkrebs war auch sehr gut, fiel aber für meinen Geschmack im Vergleich mit den anderen zwei Mini-Gerichten etwas ab (9/10).


Besonders die Olivenschnecke wusste zu begeistern. Diese Sorte war auf dem Brotwagen auch bald “ausverkauft”.

Da ist sie! Vielfach im Internet gesehen, hatte ich nun die Gelegenheit, den Klassiker des Hauses zu probieren, der seit 1987 ununterbrochen auf der Karte steht: das Törtchen vom Rinderfilet-Tartar. Die Zutaten dafür sind wohlbekannt: warmes, sehr knuspriges Kartoffelrösti, etwas zurückhaltender gewürztes Rinder-Tatar, eine dünne Schicht Crème fraîche und Imperial Gold Kaviar. Perfektion in Vollendung was Würzung, Texturspiel und Proportionierung der Komponenten angeht (10/10).

Weinbegleitung: 2008 Eitelsbacher Kartäuserhof, Riesling Kabinett feinherb, Weingut Kartäuserhof, Mosel, Deutschland
Ein veritabler Kaisergranat in Ausnahmequalität, perfekt innen glasig auf den Punkt gegart, war umgeben von einer schaumigen Limonen-Butter-Sauce Beurre Bordier. Zwei Mango-Röllchen, wiederum knackige Salatblätter und grüne Streifen mit süssem Erbsengeschmack komplettierten diesen Teller. Dies ist nun mein Referenzgericht in Bezug auf die Hauptzutat (10/10).

Der nächste Gang hat drei saisonale Zutaten, die es demnächst aufgrund ihrer Saisonalität für ein dreiviertel-Jahr nicht mehr geben wird, Hummer, Morcheln und Spargel. Dieses Gericht ist für mich eine Synthese aus zwei Gängen, die ich bei zwei unterschiedlichen Besuchen im Cheval Blanc in Basel gegessen habe – eine Cassolette von weissem Spargel und Frühlingsmorchel und Bretonischer Hummer und Bergamotte ohne dass hier Zitrusaromen im Spiel waren. Das Gericht ist sehr kleinteilig angerichtet: Baby-Lauch auf den Morcheln und Hummer, Spargelscheiben und Morchelstäbchen auf dem Hummer, Spargelscheiben und knusprige, geröstete Mandelblättchen auf der weissen Spargelstange. Und zum Ganzen eine hervorragende Nage. Macht (10/10).

Der nächste Gang ist einer, der nicht vom leider viel zu früh verstorbenem Vorgänger und offenbar sehr gutem Lehrmeister Helmut Thieltges ersonnen wurde. Eine fantastische, gegrillte Tranche vom Steinbutt befindet sich in einem buttrig aufgemixten Strauchtomaten-Fumet. Der Fisch selbst ist mit einer Scheibe Wassermelone abgedeckt, die mit Tomatenessenz, kleinen Basilikum-Abschnitten und Minierbsen belegt war. In der Nage waren noch kleine Wassermelonenkugeln und gelbe Tomatenstückchen zu finden. Ein in der Zusammenstellung überraschendes Gericht, welches perfekt ausbalanciert daherkommt (10/10).

Weinbegleitung: 2004 Pommard Pinot Noir, 1er Cru Les Arvelets, Domaine Roblet-Monnot, Burgund, Frankreich
Als der Hauptgang an den Tisch kommt, der Wild zum Thema hatte, glaubte ich erst, meinen Augen nicht zu trauen. Wo zum Teufel bekommt er jetzt Steinpilze her, die nun überhaupt keine Saison haben. Ich hielt die Stücke auf dem Rehrücken mit ihrer dunkelbraunen Schale und dem hellen Kern erst für die aromatischen Waldpilze – es war aber “nur” gebratene Fois Gras. Auf dem Teller befanden sich noch Pfifferlinge, etwas Kartoffelpürée, Preiselbeeren, ein kleiner Wirsing und sehr dünne Champignon-Scheiben. Der Buchweizencrêpe rechts war mit gedämpfter Fois Gras gefüllt. Die Gremolata, die am Tisch angegossen wurde, zeichnete sich durch eine dezente Süsse durch die Orangen aus. Man kann hier lesen, dass die Gerichte sehr kleinteilig sind, dabei aber absolut problemlos essbar bleiben – keine Orgie aus Quetschflaschentupfen, Schäumchenspielen und Pinzetten-Platzierungen. Dieses Wildgericht ist ab sofort zusammen mit dem Rehgericht, welches ich im Vendôme vor einigen Jahren hatte, meine geschmackliche Referenz (10/10).

Sehr puristisch und gut, die Pfefferschärfe deutlich wahrnehmbar (8/10).

Ein Teil der Gariguette-Erdbeeren, die sich als Charlotte fächerförmig auf einer runden Hippe befanden, war durch sehr aromatische Walderdbeeren ersetzt, darunter eine Art Frischkäsemousse. Das Rhabarber-Mascarpone-Eis war mit Baiser dekoriert. Zusätzlich wurde noch eine gelbe Zabaione von Riesling und Holunder aufgelöffelt. Mehr Zabaione wurde in einem Schälchen à part gereicht (8,5/10).

Fazit
Warum ist Dreis nur so weit weg von meinen Lebensmittelpunkten? Dieses Restaurant ist ab sofort meine kulinarische Referenz in Deutschland. Wer auf diesen Küchenstil steht und die verwendeten Zutaten mag, kommt um das Sonnora nicht herum. Die Desserts konnten nach meinem Geschmack nicht ganz den Spannungsbogen halten, der bis zum Hauptgang bestand. Nichtsdestotrotz bewerte ich die Küche mit 10/10.
Abgesehen von der Küchenleistung ist auch die Atmosphäre in diesem Familien-geführten Haus einzigartig. Frau Rambichler, Frau Thieltges und auch die anderen Mitarbeiter des Service-Teams schaffen eine Atmosphäre, in der ich mich wohlfühle. Ich hoffe, dass ich bald Mal wiederkommen kann.
Informationen zu diesem Besuch
Chef de Cuisine: Clemens Rambichler
Ort: Dreis, Deutschland
Besucht: Juni 2022
Guide Michelin (D 2022): Drei Michelin Macarons
Meine Bewertung dieses Essens: 10/10
Website: Restaurant Sonnora