Besucht: Im März 2023
Abendessen
Bewertung: Zwei Michelin Macarons
Bis Ende letzten Jahres war der Kanton Aargau kulinarisches Niemandsland, nimmt man die Verteilung von Michelin-Macarons als Massstab. Das änderte sich aber mit der Bekanntmachung der Michelin-Bewertungen für 2023. Es gibt jetzt ein Restaurant mit einem Macaron und ein weiteres mit zwei Macarons. Dieses ist das Skin’s. Das Restaurant ist Teil einer Hautklinik, daher auch der Name. Mittags wird für Mitarbeiter und Gäste gekocht, abends ist Fine Dining angesagt.
Das Restaurant ist meinem Schweizer Wohnort mit ca. 20 Kilometern Entfernung am nächsten. Ich hatte kurzfristig mit zwei Tagen Vorlauf gebucht. Das Restaurant war mit wenigen besetzten Tischen auch relativ leer, was aber die Ausnahme zu sein scheint, wie das Buchungstool zeigt.
Innen drin ist das Design eher reduziert. Wie auf dem Moodbild zu sehen ist, dominieren dunkle Farben. Tischtücher gibt es nicht. Immerhin werden mundgeblasene Zalto-Gläser für die Getränke benutzt. Ein Blick in die offene Küche ist möglich. Man ist entspannt und fühlt sich wohl.
Zur Auswahl stehen ein 5- und ein 7-gängiges Menü. Ich entschied mich für fünf Gänge und liess den Fleischgang Taube und den Käse weg. Auch bei den Getränken hat man die Auswahl zwischen alkoholischer und nicht-alkoholischer Begleitung. Nach einem Glas Weisswein vom Bruder von Markus Molitor nahm ich für die nächsten Gänge nicht-alkoholische Begleiter.
Amuses

Bei den vom Küchenchef persönlich erklärten Kleinigkeiten vorweg wird ein bisschen mit der Zugehörigkeit des Restaurants gespielt. Einerseits Hautklinik, deshalb sind der Bachsaibling und das Pulled Pork auf/mit knuspriger Haut der Hauptzutaten angerichtet. Andererseits mit dem Ort im “Rüebli-Kanton” Aargau, in dem sich das Restaurant befindet.
Im Einzelnen war es:
knusprige Haut vom Bachsaibling, gebeiztes Bachsaibling-Filet, Tom kha gai und Wasabi- Crème
Tartelette mit Pulled Pork, Sushi-Crème, gepuffter Schweineschwarte und Kräutern
Karotte mit Kardamom-Kräuter-Crème
Alle drei Kleinigkeiten waren sehr gut, das Pulled Pork gefiel mir besonders.

PLUNDER – NUSSBUTTER
Sehr wohlschmeckendes Brot mit Wechselspiel zwischen süss und salzig


Als finales Amuse Bouche wurde diese rote Beete (Randen) Variation serviert. So unspektakulär es aussieht, das war ein exzellentes kleines vegetarisches Gericht. Das erste Bild zeigt die rote Beete nach der 4-stündigen Vorbehandlung in der Hitze. Ob dies im Ofen oder im Green Egg in der Küche passiert, mag ich mich nicht mehr erinnern. Jedenfalls ist die Beete hinterher aussenrum schwarz, wird geschält und dann das Innere weiterverarbeitet. Der Geschmack der Beete verliert etwas ihre Erdigkeit und gewinnt an Süsse.
Auf dem zum Tisch gebrachten Teller befindet sich zuerst ein rote Beete Tatar bedeckt mit rote Beete Gelee, Petersilien- und roter Pfeffer-Crèmes, gepickelter Beete und Zwiebeln. Angegossen wird dann ein Sud aus rote Beete-Saft, Buttermilch und Lorbeer-Öl. Diesen Sud fand ich nicht weniger als sensationell, hatte er doch einen Wohlgeschmack, der mich fast an Fleischbrühe erinnerte.

BONITO – SHISO – BBQ AAL
Weinbegleitung: WEINGUT MOLITOR, PINOT BLANC „THRONJE“ 2020
Der als “Vorspeise” titulierte erste Gang bestand aus einer als Ring geformten Bonito-Crème, in deren Mitte sich Gurken- und Daikon-Rettich-Kugeln befanden. Auf dem Ring gab es Stücke vom geräucherten BBQ-Aal, dekoriert mit Shiso-Gel, Daikon-Scheiben und Kresse. Der Ring wurde am Tisch mit einem Shiso-Apfelsud gefüllt. Dieses Gericht vereinte tolle Aromen – Meer, Rauch, Garten, Säure, Frische.

CARABINERO – JALAPENO – BLUMENKOHL
Getränkebegleitung: ROOIBOS & HAGENBUTTE
In 800 Meter Tiefe vor Portugal gefangener Carabinero war schonend in Krustentierbutter konfiert worden, was eine sehr angenehme, weiche, aber nicht schleimige Textur ergab und den eigentypischen Geschmack erhalten half. Frittierte Blumenkohlstücke waren um einen milden Jalapeño-Schaum angeordnet und durch kandierte Macadamiastücke, Kohlrabischeiben und Lack vom Kopf getrennt. Ein reduzierter Krustentiersud wurde angegossen. Perfekte Zubereitung aller Komponenten, Süsse des Krustentiers, Jalapeño als Kontrapunkt und etwas Knusprigkeit durch den Blumenkohl ergänzten sich hier ideal. Ein sehr gutes Gericht. Die Getränkebegleitung bestand aus kaltem Rooibostee mit Hagebutten-Mark.

ROCHEN – MEERRETTICH – BEURRE BLANC
Getränkebegleitung: SALZZITRONEN SODA
Bedenkt man einmal, dass wir uns hier in einer Kleinstadt im Aargau befinden, ist Rochen doch für lokale Gäste eine recht spezielle Zutat, was Kevin Romes auch bestätigte. Rochen war eine meine ersten kulinarischen Erfahrungen in der Schwarzwaldstube bei Harald Wohlfahrt und ich hatte es zum letzten Mal im Le Bernadin 2019.
Hier kam er auf dem Foto nicht erkennbar auf zwei Schichten, Foccaccia mit Meerrettichrahm, Broccoli mit Austernsauce. Obenauf befanden sich noch CousCous Crunch und Riesling-Gel. Eine schaumige Kerbel-Beurre Blanc fungierte als verbindendes Element. Das Flügelstück war perfekt gegart, die Aromen passten zueinander. Nicht weniger als sehr gut. Bei der Getränkebegleitung aus einem Sirup von der Salzzitrone, Verjus und Soda warnte man vor dem Salzgehalt, trinkt man es allein und nicht dazu. Empfand ich gar nicht so.

KRÄUTERSAITLING – UMAMI – LAUCHGEWÄCHSE
Getränkebegleitung: SCHNITTLAUCH & MOLKE
Als abschliessender Gang vor dem Dessert-Teil kam dieser vegetarische Gang. Prägnant auf dem Teller sind natürlich der japanische Eierstichring und die dicke Scheibe Pilz. Der Kräuterseitling wurde in einem Pilzfond gegart und anschliessend im Green Egg geräuchert. Er befand sich auf einem Lauchbeet im Inneren des Rings. Auf dem Ring befanden sich noch Kohlrabischeiben mit Crème aus fermentiertem und deshalb schwarzem Knoblauch. Ein Pilztee und japanischen Kujo-Öl vervollständigten diesen Menügang. Durch seine Herzhaftigkeit (Umami) war diese Zubereitung ein schöner Ersatz für einen Fleischgang. Es hat mir sehr gut geschmeckt. Das Lauchthema wurde mit Lauchöl in der Getränkebegleitung wieder aufgegriffen und passte gut dazu.
Pré-Dessert

Nun folgte der erste Auftritt des Patissiers. Nach einem Abgang auf diesem Küchenposten kurz nach der Eröffnung, konnte man Herrn Beesten inklusive Beratung durch einen der bekanntesten Patissiers im Deutsch-sprachigen Raum, Herrn Christian Hümbs, gewinnen.
Das Pré-Dessert hatte Kopfsalat zum Thema. Dieser wurde in drei Zubereitungen verarbeitet: Kopfsalatsorbet, knackiges Kopfsalatblatt mit säuerlicher Vinaigrette und in separatem Glas als Getränkebegleitung ein Sud aus zwei Wochen lang eingelegtem Kopfsalat, sodass sich durch die Fermentation etwas Säure entwickelt hatte, mit Petersilienöl.
Die Kombination mit Walnusscrème, Walnussbiskuit, Birnenkompott und Birnen-Mus machten aus dieser Kombination nicht weniger als ein grossartiges Pré-Dessert.



PIEMONTESER HASELNUSS – JOHANNISBEERE
Getränkebegleitung: CASSIS & BERGPFEFFER
Anschliessend gab es das Hauptdessert: Eine “Riesen-Nocke” aufgebaut aus Johannisbeergelee umhüllt von Haselnussmousse auf Nougat. Aussen war es umhüllt von Schokolade. Dazu wurde ein Johannisbeer-Strauch-Sud angegossen. In einem Becher à part gab es noch ein Johannisbeer-Granité mit Haselnussrahm. Ich mag ja gefüllte Sphären wie diese zum Dessert und diese war auch sehr gut. Es konnte aber nicht ganz mit dem Wow- Effekt des Pré-Desserts mithalten. Im dazu servierten Cassis-Saft mit tasmanischem Bergpfeffer war die Pfeffernote kaum wahrnehmbar.

Ein etwas anderer Start in die Mignardises, den man schwierig mit nach Hause nehmen kann. Nicht spektakulär aber gut.

Himbeeressig – Dunkle Schokoladenpraline
Pistazien-Macaron
Tarte au citron mit Meringue und Yuzu
Der Pistazien-Macaron konnte mich nicht überzeugen. Ketzerisch gesagt, sind oft die von Sprüngli käuflich zu erwerbenden Luxemburgerli besser als die selbst hergestellten in den Restaurants. Mein Favorit war die Tarte au citron. Die Praline schmeckte gut.
Fazit
Hier wird mutig gekocht. Die Reduktion im Gastraum setzt sich auf dem Teller in positiver Weise fort. Wer dahinter blickt, realisiert, dass es trotzdem sehr aufwendig ist, dieses hohe Niveau zu liefern. Das junge Team um Kevin Romes arbeitet konzentriert in der Küche. Gut, dass die einzelnen Gänge oft von den Köchen serviert werden. Den Service empfand ich als souverän und freundlich. Die Michelin-Bewertung halte ich für verdient. Ich komme wieder, sobald sich das Menü vollständig geändert hat. Es gibt keinen Zeitpunkt, an dem komplett umgestellt wird. Dies geschieht laufend. Die Köche und ich freuen uns schon auf die Produkte des Frühjahrs.
Website des Restaurants: Skin’s – the restaurant